Vom Ausländer zum Inländer – Ist der Islam gegen Integration?

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Ein gut integrierter Ausländer oder ein akzeptierter Inländer. Ist der Islam wirklich gegen Integration?

Ein gut integrierter Ausländer

 

Ich hatte einen Uni-Kollegen welcher politisch sehr aktiv war. Er war Mitglied der FPÖ und später vom BZÖ und sagte immer zu mir: “Du bist für mich das perfekte Beispiel für einen gut integrierten Ausländer.”

Bist du integriert oder was?

 

Ein gut integrierter Ausländer. Was ist das? Wieso entscheidet meine Hautfarbe oder Religion darüber, welche nationale Zugehörigkeit ich habe? Ich bin schon einige Jahre in meiner aktuellen Firma, so ziemlich alle direkten Kollegen wissen, dass ich in Österreich geboren und aufgewachsen bin. Trotzdem werde ich bei Gesprächen zum Thema Urlaub immer wieder gefragt „Und, fliegst du heuer in die Heimat?“. Wir leben im 21. Jahrhundert und weigern uns immer noch zu akzeptieren, dass ein Österreicher nicht blond und blauäugig ist und Josef oder Sepp heißt.

Integration – ein Geben und Nehmen

Integration ist ein komplexes Thema. Wer trägt die Verantwortung dafür? Ist es die Person, welche neu in das Land kommt? Ist es das Land? Ich finde, beide haben ihren Anteil an einer guten Integration zu leisten.

Eine Person, welche sich für einen Umzug entscheidet, aus welchen Gründen auch immer, muss mit der Motivation kommen, ein ordentlicher Mitbürger des Landes werden zu wollen. Das Land muss die Möglichkeiten bereitstellen, dass eine Person sich so schnell so gut wie möglich zurecht findet. Man sollte sich willkommen fühlen und den Schritt nicht als Hürde sehen.

Ein wichtiger Punkt der Integration ist es aber auch sich gegenseitig zu akzeptieren und voneinander zu lernen. Integration ist ein Lernprozess für alle Beteiligten. Beide lernen neue Kulturen kennen. Es wäre einer der schönsten Momente für die Menschen, wäre da nicht die Politik.

Politik und Integration

Doch momentan verbreiten Politiker in Europa das Statement, dass der Islam gegen Integration sei. Es wurde das Burka-Verbot nun in Österreich erlassen, damit Leute ihr Gesicht nicht verstecken dürfen. Endlich ist dieses Thema vom Tisch und wir können uns wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren.

Es wird allgemein das Verständnis verbreitet, dass der Islam gegen Integration sei. Vor 2 Tagen war ich beruflich in Zürich. In einer der großen Zeitungen dort war die Schlagzeile “Schweizer haben Angst”. Der Inhalt war eine Studie des Ministeriums, welche feststellte, dass 16% der Schweizer sich vor dem Islam und Muslimen fürchten und 30% generell vor Fremden. Grund dafür wird oft genannt, dass Muslime anders sind.

Fremdbild der Muslime

Und es stimmt auch. 5x am Tag beten, Essensvorschriften, kein Alkohol, Kleidungsvorschriften, etc. Diese Punkte dürften aber keine Rolle spielen, denn sie sind persönliche Entscheidungen und “gefährden” die Integration nicht. Ein Freund von mir, ein “Inländer” ist Profi Bodybuilder und er trinkt keinen Alkohol. Es ist eine persönliche Entscheidung von ihm für den Sport. Eine Gute Freundin von mir isst kein Fleisch, nicht wegen der Religion, sondern weil sie Vegetarier ist. Und was das Beten anbelangt, Menschen investieren vermutlich mehr Zeit in Rauchpausen.

Kleidung ist ebenfalls ein persönliches Thema. Ich finde es immer lustig, wenn Leute der Meinung sind, diese Art von Kleidung gehört nicht zu “unserer Kultur”. Die kulturelle Kleidung in Österreich ist die Tracht. Ich sehe aber kaum Leute in der Stadt mit Lederhosen oder Dirndl, außer es ist gerade Oktoberfest. Warum müssen wir jemandem vorschreiben, wie er sich kleiden soll? Geht das nicht gegen die persönliche Entfaltungsfreiheit, für welche wir in Europa stehen?

Aber gut, das wäre die Sichtweise des Landes, kommen wir zum Muslimen, der sich integrieren möchte. Hier besteht durchaus ein großes Manko, da gibt es keine Zweifel.

Selbstbild der Muslime

Das Problem mit Menschen aus mehrheitlich islamischen Ländern hat mehrere Facetten. Viele projizieren kulturelle Eigenschaften als religiöse und so wird es dann auch von Personen, die sich weniger mit der Thematik auskennen, wahrgenommen und rückwirkend als Bestandteil der Religion interpretiert.

Das betrifft zB auch den Punkt der Kleidung. Der Islam schreibt nicht vor, wie man sich kleiden soll, er sagt, was man nicht soll. “Hüte deine Schaam”, ist hier der Grundsatz. Über die Zeit hinweg wurde dieser Grundsatz von Menschen, vor allem Männern, extrem ausgenützt. Es bedeutet nicht, dass Frauen nicht arbeiten oder sich nicht bilden sollen, oder dass sie ihr Gesicht nicht zeigen dürfen. Die Frau wird als stolz des Hauses gesehen und ihr wird höchster Respekt erwiesen. Die Art und Weise, wie Frauen in islamischen Ländern behandelt werden, hat nichts mit dem Islam zu tun, sondern sind Entscheidungen, basierend auf willkürlicher Interpretationen durch die Menschen. Hier wird Religion als Machtinstrument missbraucht.

Oft wird angeführt, Muslime wollen keinen Kontakt mit “anderen”, sie bleiben unter sich und reden nur ihre Sprache. Auch dieses Phänomen ist ein kulturelles Problem und kein religiöses. Denn der Islam hat keine Sprache. Es ist eine Religion und wenn wir von der Sprache des Koran reden, sprechen wir von arabisch. Es sind aber nicht alle Muslime Araber, da sind wir uns wohl einig?

Auf der Uni hatte ich mehrere Professoren aus verschiedenen Ländern, welche teilweise schon seit über 20 Jahren in Österreich leben und kein Wort Deutsch sprechen. Auch heute treffe ich in meiner Arbeit Unmengen an Personen, welche schon seit Jahrzehnten hier sind und keine Milch im Supermarkt kaufen könnten. Trotzdem reden wir nur von der nicht funktionierenden Integration von Muslimen.

Integration im Islam

Eine Sache die alle Religionen gemeinsam haben, ist die Akzeptanz von Diversitäten.

Der Prophet Mohammed (saws) sagte in seiner letzten Predigt:

“Die gesamte Menschheit stammt von Adam und Eva. Ein Araber hat weder einen Vorrang vor einem Nicht-Araber, noch hat ein Nicht-Araber einen Vorrang vor einem Araber; Weiß hat keinen Vorrang vor Schwarz, noch hat Schwarz irgendeinen Vorrang vor Weiß” (Prophet Mohammed, Abschiedspredigt, 632 n. Chr.)

Der Prophet Mohammed (swas) fasst hier nur zusammen, was im Koran steht und führt den Menschen nochmals vor Augen, dass wir nicht verschieden sind. Wir haben denselben Ursprung, stammen von derselben Quelle. Nationalitäten oder Hautfarben sind kein Grund für eine Bevorzugung oder Unterscheidung.

Bereits im Koran hat Allah festgehalten, dass er uns Menschen verschieden erschaffen hat, um uns die Möglichkeit zu geben, von unserer Vielfalt zu lernen und zu profitieren:

“O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Gewiß, der Geehrteste von euch bei Allah ist der Gottesfürchtigste von euch. Gewiß, Allah ist Allwissend und Allkundig.”(Koran, Kapitel 49,Vers 13)

Auch in Bezug auf Religion ist Allah ganz unmissverständlich und macht klar, dass Religion ein privates, persönliches Gut ist, welches jeder zu respektieren hat:

“Euch eure Religion und mir meine Religion.” (Koran, Kapitel 109, Vers 6)

Den folgenden Vers finde ich sehr wichtig:

“Ihr sollt diejenigen, die andere außer Gott rufen, nicht beschimpfen, sonst beschimpfen sie Gott, ohne Wissen, aus Feindseligkeit. Nur so haben wir jedem Volk sein Tun geschmückt, letztendlich kommen sie alle zu Gott zurück, dann sagt Er ihnen, was sie getan haben.”(Koran, Kapitel 6, Vers 108)

Hier legt Allah einen sehr wichtigen Aspekt fest, einer, welcher meiner Ansicht nach von vielen Muslimen missachtet wird und Grund für viele Konflikte sein kann. Allah sagt, Muslime sollen nicht andere und ihre Religionen beschimpfen,denn so geben sie ihnen auch keinen Grund, den Islam zu beschimpfen. Wir als Menschen sind nicht in der Position, über Recht und Unrecht in Bezug auf den Glauben zu bestimmen. Wer etwas falsch oder richtig macht, das ist jedem seine eigene Entscheidung, seine eigene Meinung und “letztendlich kommen sie alle zu Gott zurück, dann sagt er ihnen, was sie getan haben.”

Dieser Grundsatz ist so schön und würde uns Menschen das Leben so sehr erleichtern! Aber leider sind Menschen, vor allem diejenigen, die ihrer Meinung nach ein sehr gutes Verständnis über die Religion haben, immer darauf aus, aufzuzeigen, was andere falsch machen und sie darauf aufmerksam zu machen. Wir müssen immer über andere richten und urteilen, nur damit wir uns selbst auf die Schulter klopfen können, dass wir es richtig machen. Doch woher haben wir die Sicherheit?

Bis wir nicht alle vor Allah stehen, können wir alle nur das tun, was wir für richtig halten und beten, dass wir unser Leben so positiv wie möglich gestalten. Er alleine wird über Recht und Unrecht entscheiden. Anstatt andere zu “verurteilen” sollten wir uns darauf konzentrieren, dass wir uns selbst richtig verhalten. Dies schließt natürlich keinen konstruktiven Austausch über Meinungsverschiedenheiten aus. Am Ende sollte man aber sich gegenseitig akzeptierend aus dem Dialog gehen. Es würde allen Menschen das Leben erleichtern, wenn sie darauf fokussiert wären, sich gegenseitig zu verstehen anstatt sich gegenseitig zu belehren.

Der Islam fordert Integration

Der Islam lädt zur Vielfalt ein und vor allem zur Akzeptanz dieser. Die Erwähnung dieser Tatsache in der letzten Predigt des Propheten vor seinem Tod soll nochmals das Gewicht und die Bedeutung dessen im Islam unterstreichen.

Allah möchte, dass wir uns mit anderen Kulturen und Religionen beschäftigen, um davon zu lernen und auch seine Lehren weiterzugeben. Es soll ein positiver, konstruktiver Austausch sein.

Integration wäre ein wirklich schöner Prozess, wäre da nicht die menschliche Gier nach Macht und Reichtum. Ich verneine nicht, dass sich Menschen selbst, welche in ein Land kommen oftmals vor der Integration scheuen oder sie gar meiden. Wie aber oben erklärt hat dies in den seltensten Fällen tatsächlich religiöse Hintergründe. Wenn dann auch die Bedingungen vom Land klar fördernd und willkommend sind, dann wird auch diesen die Scheu genommen.

Was tatsächlich einen “Inländer” von einem “Ausländer” unterscheidet bzw. wie man vom Ausländer zum Inländer wird liegt nicht an denn Religionen oder dem Verständnis dieser, sondern ganz allein bei uns, wie sehr wir ein Zusammenleben fördern und eine Vielfalt wollen.

Quellen:

http://www.quran.com


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